Großbritannien hat abgestimmt und mit 51,9% mehrheitlich für einen Austritt aus der EU gevotet. Eine alte Börsenweisheit besagt, dass „politische Börsen kurze Beine“ haben. Bereits in den vergangenen 3 Wochen war der „Brexit“ das marktbeherrschende Thema und die Unsicherheit über das Abstimmungsergebnis hat zu massiven Kursturbulenzen an den Börsen geführt.
Jetzt ist das Referendum gelaufen und die Briten haben sich gegen einen Verbleib in der EU entschieden. Ehrlich gesagt, hätte ich nicht mit diesem Ausgang gerechnet. Ich persönlich halte diesen Schritt gerade für Großbritannien als viel zu kurzfristig gedacht. Die mittel- und v.a. die langfristen Folgen dürften frappierend werden. Die Rohstoffvorkommnisse im Norden Großbritanniens gehen absehbar zur Neige. Die bis dato sehr starke Säule für die britische Wirtschaft ist der Finanzsektor. Und diesen haben die Briten mit ihrem negativen Referendum gerade selbst immens geschwächt.
In den nächsten zwei Jahren werden die Austrittsverhandlungen zwischen Großbritannien und der EU laufen. Ich fürchte diese werden sehr unschön vonstattengehen, weil sich für die Briten herausstellen dürfte, dass die erhoffte Stärkung der eigenen Wirtschaft bzw. Macht nicht eintreten dürfte. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die EU nach diesem Votum bereit ist, in den Austrittsverhandlungen Großbritannien gegenüber große Zugeständnisse zu machen. Ganz im Gegenteil, denn spätestens dann werden viele andere EU-Länder mit rechtspopulistischen Parteien „auf der Matte“ stehen und ihrerseits einen EU-Austritt fordern.
Die Wirtschaft sowohl in Großbritannien als auch in der EU wird Schaden nehmen. Laut Handelsblatt wird die Europäische Union knapp 20 % ihrer Wirtschaftskraft verlieren. Dem EU-Haushalt ist nach Deutschland und Frankreich der drittgrößte Nettozahler abhandengekommen.
Für das Konstrukt der Europäischen Union bedeutet der Entscheid, dass es fünf vor 12 steht. „Wer das großartige Projekt von Völkerverständigung und wirtschaftlicher Zusammenarbeit nicht auf dem Scheiterhaufen der Geschichte sehen will, muss heute Morgen innehalten…“ heißt es dazu weiter im Handelsblatt. Der Austritt Großbritanniens hat die Wirtschaftskraft Europas gegenüber den Wirtschaftsmächten USA und China deutlich geschwächt.
Was hat das ganze jetzt mit unseren Kundendepots zu tun? Mittel- bis langfristig wahrscheinlich herzlich wenig. Es sei denn, Kunden hätten Fonds gewichtet, die ausschließlich in Großbritannien investieren. Das ist bei uns nicht der Fall. Nichts desto trotz ist es absehbar, dass es jetzt erst einmal zu heftigen Rücksetzern kommen wird. Vorbörslich zeigte der DAX ein Minus von über 10% an. Vor allem nachdem die letzten Tage – aufgrund einer Erwartung eines positiven Entscheides – die Börsen bereits wieder gejubelt hatten.
Eine Kurzfristreaktion in so einem Umfeld kommt in der Regel zu spät. Denn wie bereits gesagt „politische Börsen haben kurze Beine“.
Was wir nicht vergessen sollten, in unseren Kundendepots liegen zum größten Teil Fonds, die von aktiven Fondsmanagern gelenkt werden, die hier ihrerseits aktiv vorgegangen sind und vorgehen werden. Ich gehe davon aus, dass viele aktive Fondsmanager die jetzt folgenden Rücksetzer nutzen werden, um Qualitätstitel aufzustocken.
Leidtragende werden wohl wieder einmal mehr Anleger in passiven Strategien sein, die den Marktreaktionen somit prozyklisch hinterherlaufen.
Was uns erhalten bleibt, wird die Schwankung sein. Denn kaum haben wir das britische Referendum hinter uns gebracht, werden wieder andere Themen in den Vordergrund rücken, die in den letzten Monaten bereits für viele Turbulenzen gesorgt haben: US-Zinsentscheid, nachlassendes Wachstum in China, Wahlen in den USA, in 2017 anstehende Wahlen in Frankreich usw.
Letztendlich muss man sich immer wieder die Frage stellen, werden wir bei all diesen Ereignissen aufhören, bestimmte Konsumgüter / Dienstleistungen zu nutzen? Wohl nicht. Daher wird es immer Unternehmen geben, die Güter / Dienstleistungen produzieren müssen. Ein aktiver Fondsmanager investiert in Qualitätstitel mit herausragendem, nachvollziehbarem Geschäftsmodell, das auch für die Zukunft gerüstet ist. Und dann versucht ein Fondsmanager diese zu einem günstigen Preis zu erwerben. Im Gegensatz zu einem passiven Konzept, wird ein aktiver Fondsmanager auch solche Ereignisse wie einen Brexit in sein Management mit einfließen lassen und entsprechend agieren, wenn es erforderlich ist.
Insgesamt zeigt sich einmal mehr, wie wichtig es ist, breit aufgestellt zu sein, um die Schwankungen über diverse Anlageregionen, -sektoren, Konzepte und Managementstile zu verteilen.
Fazit: Ich sehe aufgrund des negativ ausgegangenen Referendums für breit aufgestellte Depots, die sich an unseren Kundenwünschen hinsichtlich Anlagehorizont und Chance-Risiko-Profil ausrichten, keinen Handlungsbedarf.
Thomas Dopf